Als nächstes will ich einen Wal drucken

Ein Portrait der Künstlerin Cenci Goepel von Bodo Windmoeller

Rosa bläht ihre Nüstern und scharrt die Hufe - doch Rosa, die Ziege, ist tot. Zu sehen ist nur Ihr Abdruck in Schwarz auf weissem Papier. Faszienerende Details - geblähte Nüstern, Augen hellwach, Haarwirbel, Hufe, Körper - nichts deutet darauf hin, dass dies der Abdruck eines toten Tieres ist. 1997 fand Cenci Goepel einen toten Hasen, der sie faszinierte. Die Form wollte sie festhalten und hat den Hasen kurzerhand abgedruckt. So entstand die erste Kadavermonotonie. Schon damals dachte C. Goepel über eine Serie nach, doch es sollte noch dauern bis weitere Motive folgten: ein Eichhörnchen, ein Kaninchen, dann die Ziege Rosa und zuletzt ein Pulpo als Dokumentation fürs Fernsehen.

„Das Ziegemformat ist viel grösser, da musste ich mit einer neuen Technik vorgehen.“ Das Experiment ist gelungen, die Ziege übernatürlich schön. Nun ist C. Goepel vorbereitet um grössere Projekte in Angriff zu nehmen, eine Kuh oder eben einen Wal in Florida... „Das Format sollte so 5m*5m sein. Jeder Künstler hat wohl sein Format. Manche machen immer kleine Bilder; ich fühle mich im Grossen wohl“. Als ob sie einen mit der Nase auf Ihre Welt stossen will: Seht her, scheinen die Bilder der C. Goepel sagen zu wollen, seht her und entdeckt.

C. Goepel, geboren 1972, ist eine Künstlerin die sich neugierig mit der Welt um sich auseinandersetzt. Es interessiert sie, wie die Dinge im Detail funktionieren, wie sie sind und welche Spuren sie hinterlassen. Der Abdruck aber auch das Abgedruckte werden dem Betrachter sichtbar gemacht.

Ihr Thema ist immer wieder die Dokumentation von Spuren, die andere hinterlassen haben, so z.B. dokumentiert sie, welche Spuren Tiere hinterlassen und basiert Ihre Arbeiten unter anderem auf Holz, welches von Bibern angenagt wurde oder die Tierkadaver zum Drucken; sie zeichnet Tiergeräusche auf und selbst die Verbandsmulde von einem Hundebiss wird umfunktioniert und Bestandteil eines ihrer Werke. Spuren hinterlassen - Spuren dokumentieren. Wie verhält sich Russ auf einer Glasplatte, was passiert wenn Ölfarbe und Fensterreiniger zusammentreffen, wie lässt es sich mit Fäden drucken, welche Spuren hinterlassen Freunde auf einem Anrufbeantworter, andere Länder andere Toiletten, wie sieht die Anatomie einer Hand aus?

Auch akustische Spuren, Geräusche, sind Inspiration zu Werken. Das gilt insbesondere für das Mechanische, bewegt durch die Natur, wie z.B. das Schlagen eine Fahnenmastes im Wind, die Geräusche von Pontons die bewegt durch Wellen gegen die Verankerungen reiben oder die Geräusche von Abflüssen, durch die Wasser fliest.. Mit dem Kontaktmikophon versucht sie den Dingen auf den Grund zu gehen. Geräusche, die von der Natur „zufällig“ erzeugt werden und sich in der Mechanik verfangen, werden reduziert auf einige Grundmuster und diese dann arrangiert oder nur befreit von allem Überflüssigen... Der Hörer ist fasziniert. Unbekümmert spielt C. Goepel mit den verschieden Quellen, oft mit Humor. So hört man in der Handtaschenabteilung von Hertie zwischen dem Klappern von Klappverschlüssen und Reissen von Reissverschlüssen immer wieder Tiergeräusche. Aus dem Inneren der Handtaschen schreit der Kuckkuck und mäht die Ziege. Selbst das Öffnen von Reissverschlüssen, ganz langsam abgespielt, klingt wie das Schlagen von Schmetterlingsflügeln.

So sammelt sie auch Kruppuhren aus einer Serie – auf den ersten Blick alle identisch, da alle demselben Design folgen, doch bei genauerem Hinsehen erkennt man: verschiedene Modelle, verschieden Jahrgänge, verschiedene Ausführungen. Und man hört und beginnt sich mit C Goepel zu fragen: Ticken mechanische Uhren anders als Automatische, tickt jede Uhr anders, wie klingen sie zusammen?

Die Stärke in C. Goepel’s Werken liegt in der Mischung aus Unbekümmertheit und Ernsthaftigkeit, mit der sie die Dinge dokumentiert. So sind die Werke nie verstörend - immer anregend; nie dogmatisch - haufig verspielt, aber nie albern; nie belehrend - sondern Interesse weckend. Das gilt auch für „Hässlichkeiten“ oder bei Manchem möglicherweise Ekel Erzeugendes. So ist die Anatomie einer Hand in eine in der Mitte geknickte Pappe gestochen und die Adern und Nerven auf einer Hälfte mit Bunter Wolle nachgestickt. Auf den ersten Blick schön, auf den zweiten verunsichernd und man bleibt mit Interesse stehen.

Der Blick von C. Goepel fällt auf das Allgemeine um dort nach dem Ungewöhnlichen zu suchen. Motive und Inspirationsquellen sind vielfältig und reichen von Tieren, Friedhöfen, Struktur und Funktionsweise von Dokumenten bis hin zu Freunden. C. Goepel hält die Dinge gerne fest und greift später wieder auf sie zurück, so dass die Themen in Variationen immer wiederkehren. Freunde und Arbeit lassen sich nicht trennen; die Kooperation mit Kollegen das gemeinsame Erlebnis, die gemeinsame Erfahrung werden dokumentiert. Die Inspirationen teilt sie und das führt zu vielen Gemeinschaftsaktionen mit Ihren Freunden. Aus den Entdeckungen der Freizeit entstehen die Inspirationen für die Arbeiten und häufig liegt diesem Prozess etwas spielerisches zu Grunde. Es wird nicht zielgerichtet Kunst betrieben sondern das Erlebte sichtbar und hörbar gemacht.

Die Materialien sind vielfältig: Fäden (Nähen, Drucken), Russ, Glas, Blut, Papier, Öl, etc. Haufig sind die Werke in 1 oder 2 Farben gehalten und insgesamt minimalistisch, konzentriert auf einige Motive. C. Goepel hat ein ausgeprägtes Gefühl für Form und Farbe und Ihre Werke vermitteln eine ernsthafte Schönheit. Das Material und die Form werden respektiert, es wird ermittelt, was sich ergibt, und dem Betrachter/Hörer eine Perspektive oder Akustik vermittelt, die in ihrer ruhigen nicht-konventionellen Art erfrischend ist ohne je abzugleiten in plakatives Zur-Schau-Stellen oder akustische Marktschreierei. Insbesondere die intensive Auseinandersetzung der Künstlerin, häufig auch im Trial & Error Verfahren, mit der Form der Dinge ermöglicht dieses. So ist die Arbeit von C. Goepel häufig graphisch und auch Zeitungslayout und Photobearbeitung beherrscht sie.

Kontraste und der Hang immer neue Sachen zu probieren lassen das Spektrum weit sein. So ergibt sich Eines aus dem Anderen – als sie einer Freundin das Computerprogram Photoshop erklärt, entsteht eine neue Serie: Selfish. Diesmal die Künstlerin selbst im Mittelpunkt, verfremdet, teilweise entstellt mit Hasenscharte oder Fratze, wie besessen; aber nie abstossend sonder wie immer faszinierend. Die Motive sind diesmal ungewöhnlich poppig bunt und doch erkennt man es als Werk von C. Goepel: Thema und Variation, Darstellung und Entfremdung, das Spiel mit der Form und der andere Blick auf die Dinge, das Aufzeigen von Möglichkeiten, die man vorher nicht kannte.

Immer neugierig, immer interessiert und immer aufgeschlossen so erkundet C. Goepel die Welt und dokumentiert die Dinge - sehr zum Vorteil und Genuss derjenigen, die Ihr Werk verfolgen.